Wie viele Sexpartner hattest du schon? Die Horrorfrage

Es ist wie ein ungebetener Gast, der einen Raum betritt. Es verschließen sich aus unerklärlichen Gründen alle Türen und Fenster. Sogar die Lüftungsschlitze sind wie versiegelt. Der ungebetene Gast ist gefangen. Für mich ist die Anzahl der Sexpartner, die meine Freundin vor mir hatte, eine Art Gift für meine Hirnwindungen. Aus diesem Grund will ich es einfach nicht wissen. Ansonsten wäre mein Kopf wie der eben beschriebene Raum. Die Information würde sich in mein Hirn verkeilen und irgendeiner Ecke ruhen. Bis zu einer bestimmten Situation, in der ich wieder an diese Information erinnert werden würde. Immer und immer wieder. Jedenfalls meine Gedanken sind so gestrickt, dass sie partout nicht mit so einer Information klarkommen würden.

Eigentlich ist es komplett unnötig, einen Stock im Hintern wegen einer Zahl zu haben. Einer Nummer. Nur eine Nummer im Laufe eines kompletten Lebens. Und ich bin halt die Zahl nach der Vorherigen Zahl. Quasi ein Kreislauf. Das Leben.

Aber warum kann eine Zahl über Gedanken, Gefühle und Folgen mitentscheiden?

Die Angst. Angst davor, nur ein teil von etwas zu sein. Angst davor, verglichen zu werden und negativ abzuschneiden. Angst davor, zu verlieren. Den Partner zu verlieren, da er durch vorherige Erfahrungen und dem abschließenden Vergleich mit mir zu dem Entschluss kommen könnte, dass ich ein Negativbeispiel für eine weiter Zahl bin. Ich könnte noch viel länger so weiter schreiben und würde mich immer mehr in Ängsten verlieren.

Warum wäre eine möglichst geringe Zahl eine gute Information?

Vielleicht 1 oder 2 wären in Ordnung. Na gut. 5 oder 6 sind wohl realistischer, aber trotzdem noch vertretbar.  Aber warum habe ich Angst vor Zahlen, die jenseits von der 10 liegen? Meine Freundin ist 24 Jahre alt. Wenn ich davon ausgehe, dass sie ihr erstes Mal  mit 15 Jahren hatte, dann wären das 1,1 Sexpartner pro Jahr. Und wenn man jetzt mal ehrlich zu sich ist, dann hört sich das verschwindend gering an. Fast zu vernachlässigen. Was ist, wenn die Zahl nicht 10 sondern 20 lauten würde? Dann wären es 2,2 Sexpartner pro Jahr. In 365 Tagen hätte sie das Bedürfnis gehabt, mit 2,2 Männern intim zu sein. Das hört sich für mich immer noch völlig vertretbar an. Dass die Rechnung bei langjährigen Beziehungen, die in der Zwischenzeit gewesen sein könnten nicht aufgeht, ist mir natürlich bewusst. Doch wenn ich mir dieses vereinfachte Rechenbeispiel in Situationen wenn es um Zahlen geht vor Augen rufe, dann wird es erträglicher. Fasst schon so, als wenn es mich nicht stören würde.

Nach all diesen hochkomplexen Rechnungen komme ich zu einem Schluss. Ich muss und will einfach nicht alles wissen. Augen zu, einmal tief durchatmen, Augen wieder auf und in die deines Gegenüber schauen. Jetzt noch einmal darüber nachdenken ob es das Wert ist, wegen einer Zahl irgendetwas von diesen braunen Augen in Frage zu stellen. Nein!

Warum ist es nicht so schlimm, wenn ein Mann mehr Sexpartner hatte als die Frau?

Ich bin bestimmt nicht das, was man den Prototyp von verklemmt sein nennt. Erfahrungen sind das, was uns ausmacht. Der Eine hat mehr davon und der Andere eben weniger. Bei Frauen ist die Thematik zum Glück die Selbe. Doch trotz aller Emanzipation werden Frauen, die “locker” mit dem Thema wechselnde Sexpartner umgehen, eher gedanklich ins Abseits gestellt, als Männer. Männern klopft man sogar auf die Schulter und gibt ihm mit Ehrfurcht eine Art Bestätigung, dass er als “Stecher des Jahres” nominiert werden sollte. Für Frauen wird oft nur ein Wort gefunden.

Warum können Frauen nicht auch einfach Vögeln wie und wann sie lustig sind, ohne einen Stempel mit der Aufschrift “Schlampe” aufgedrückt zu bekommen?

Die Unterschiede, die mir einfallen würden, sind ziemlich banal und vorurteilsbehaftet. Eine Frau lässt “etwas” in sich herein und der Mann dringt mit “etwas” ein. Eine Frau kann Schwanger werden und der Mann nicht. Der Penis lässt sich einfacher “reinigen” als die Vagina. Ich weiss nicht, ob die Überlegungen zu weit hergeholt sind, aber andere plausible Gegenthesen wollen sich mir einfach nicht zeigen.

Aber wie öffnet man die Gedankengänge Derer, die eine Blockade in ihrer Rechenmaschine haben?

Mit Aufklärung wird man nicht weit kommen. Vielleicht mit bewusstseinserweiternden Medikamenten, die Geschlechterrollen der letzten Jahrtausenden in Frage stellen lassen oder doch einfach damit, dass man sich wie man es schon im Mittelalter gesagt hat “An die eigene Nase fassen” soll. Genau diese Denkweise hat mir in etlichen Situationen in meinem Leben geholfen, meine eigenen verkeilten Gedanken zu lösen und ihnen den Weg nach draußen zu zeigen. Von mir aus auch in den Kopf des nächsten, bis alle an den Punkt gelangt sind, offen mit Themen umzugehen, die einfach in das Jahr 2017 gehören und nicht in die Steinzeit.

 

Mit bestem Gruß

Wolfgang