Berlin Freitagabend: Meine Verlobte und ich sind auf dem Weg nach Hause. Wir sitzen uns in der Straßenbahn gegenüber. Auf der anderen Seite des Ganges sitzen zwei Jugendliche. Ich tippe mal, sie waren zwischen 16 und 20 Jahre alt. Aus ihrer Kommunikation lassen sich mindestens zwei unterschiedliche Sprachen erkennen. Es hörte sich echt interessant an. Irgendwie erinnertet es an das Gefühl aus England, als ich versuchte in der viel zu lauten U-Bahn das Pärchen neben mir zu belauschen. Es war nicht die Neugier am Leben der anderen teilzuhaben, vielmehr war ich daran interessiert mein Schulenglisch zu evaluieren. Worüber genau sie sich unterhielten, interessierte mich eigentlich nicht im Geringsten.

Zurück in Berlin: Die beiden Jugendlichen sprechen nicht nur einen Mix aus Deutsch und etwas für uns total Unverständlichem, sondern reden auch unglaublich schnell. Diese Kombination machte es einfach nur interessant zuzuhören, sodass meine Freundin rüber schaute. Als sie sich dann erwischt fühlte, lächelte sie die beiden an, wie Mädchen das halt so machen.

Jetzt merkte man, wie die beiden ständig rüber schauten und tuschelten. Zunehmend fühlte sie sich unwohler und obwohl wir in diesem Moment kaum mit einander darüber redeten, teilten wir die Angst, dass sie mit uns aussteigen und sich die ganze Situation zu einem handfesten Streit entwickeln würde.

 

Zur Situation – Was war geschehen?

Unsere Gedanken in dieser Sekunde:
Wir nahmen zur selben Zeit an, dass sie sich aufgrund ihrer Herkunft oder ihres kulturellen Weltbilds missverstanden fühlten ­­- eine Frau suchte Blickkontakt und lächelte sie an.

Mir war schon am nächsten Tag bewusst, dass mein Gedankengang äußerst vorurteilsbehaftet war, doch jetzt beim Schreiben dieser Worte schäme ich mich sogar etwas dafür.

 

Wie könnten die beiden Jugendlichen die Situation empfunden haben?

Szenario 1:

Genauso gut könnten sie meine Freundin auch einfach sehr attraktiv gefunden haben. Immerhin hat sie strahlend blaue Augen und macht auch so etwas her. Da die beiden noch sehr jung waren, kann es auch genauso gut gewesen sein, dass sie einfach nicht wussten, wie man unauffällig über eine Person spricht, die sich in Sicht- und Hörweite befindet. Aus diesem Grund starten sie meine Verlobte auffällig und direkt an, während sie tuschelten.

 

Szenario 2:

Eventuell fühlten die beiden sich genauso unwohl wie wir. Vielleicht wurden sie aufgrund ihrer Herkunft, der Aussprache oder ihrem Erscheinungsbild schon einmal denunziert und fühlten sich zum wiederholten Male diesem diskriminierenden Verhalten ausgesetzt.

Diese tatsächlich durchlebte Situation zeigt doch, wie unwissend wir eigentlich sind. Emotionen, Gefühle und Gefahren nimmt jeder anders wahr. Jedoch können wir den aktuellen Gemütszustand eines Deutschen oder auch Europäers viel besser einschätzen, als bei Menschen mit denen wir geringere Berührungspunkte haben. Häufig erwischen wir uns dabei, Menschen, welche uns bzw. unserer Kultur fremd erscheinen, aufgrund des gegenwärtigen gesellschaftlichen und medialen Sentiments zu verurteilen. Die Quelle dieses engstirnigen Verhaltens lässt sich mit einem Wort erläutern – Unwissenheit!

Eben dieses Gefühl begleitet mich gegenwärtig, wenn ich die Entwicklungen unserer Republik betrachte. Wir wissen einfach viel zu wenig über unsere Mitmenschen und empfinden eine Bedrohung ausgehend von der aufkommenden Vielfalt und verdrängen die potentiellen positiven Einflüsse und Chancen.

 

Ein Lösungsvorschlag für das bessere Miteinander:

Ich möchte jetzt keine Diskussion anstoßen, ob die aktuelle politische Richtung unserer Bundesregierung die richtige ist.

Menschen aus verschiedenen Ländern haben unterschiedliche Weltbilder und das müssen wir alle respektieren. Nehmen wir mal das Beispiel der Frau. In einigen Ländern ist diese dem Mann vollkommen gleichgestellt, in anderen hingegen eher ein Mensch zweiter Klasse. Fährt eine Frau in ein Land, in dem sie übertrieben gesagt „weniger Wert“ ist, dann sollte sie dort besser auf sich achten, als in Ländern, in denen eine Gleichberechtigung der Geschlechter auch gelebt wird. Auf der anderen Seite müssen Menschen, die nach Europa kommen, wissen, dass europäische Frauen gleichberechtigt sind und es keine wesentlichen Unterschiede im Umgang zwischen Männern und Frauen gibt. Solche Differenzen müssen beworben werden. Über diese Unterschiede sollten alle an jeder Ecke stolpern.

Visuelle Elemente, die in der virtuellen Welt der sozialen Medien kursieren, in den Registrierungsstellen an jeder Ecke und in jeder Sprache zur Verfügung stehen und auch bei uns zwischen Blockbustern zur Primetime laufen, haben meiner Meinung nach ein großes Potenzial. Diese Kampagne könnte ein anderes bzw. erweitertes Bewusstsein schaffen und für ein ganz neues Miteinander sorgen. Die kommunizierten Inhalte müssten nur eine klare Botschaft vermitteln.

Jeder Mensch hat unterschiedliche Werte und trägt somit einen unschätzbaren Beitrag zu unserer (international geschätzten) Gesellschaft. Ich weiß, dass man aus einem Franzosen keinen Deutschen machen kann und anders herum geht das auch nicht und das obwohl wir direkte Nachbarn sind. Es geht nicht darum jemanden zu verändern, sondern um gegenseitigen Respekt.

Der Versuch so etwas auf die Beine zu stellen, muss ja nicht zwangsweisemit staatlicher Unterstützung geschehen. Es braucht kreative Webmaster, Marketingfreaks und weitere Freiwillige aus verschiedenen Bereichen, welche das Potential besitzen diesen Mehrwert zu schaffen, den man nicht nur in der Bilanz eines Unternehmens wiederfindet.

 

Was denkt ihr, könnte man mit einer solchen Kampagne etwas verändern? Welche Ideen habt ihr, die aktuelle Situation etwas zu verbessern? Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich erwähnen, dass dieser Artikel eine fundierte Diskussion entfachen soll und rassistischem Gedankengut keine Plattform geboten wird!

Derjenige, der die Essenz dieser Botschaft begriffen hat, kann durch sein Handeln als Multiplikator fungieren und durch sein virales und alltägliches Verhalten einen Beitrag zu dieser Vision leisten.

Bei echtem Interesse könnt ihr uns auch direkt anschreiben, E-Mail.

Team
MännerTagebuch